Ein sonniger Tag in Hamburg:
Mehr als 1000 KollegInnen Streiken
Ein sonniger Tag in Hamburg, tausend streikende Kolleginnen und Kollegen, das war ein guter Start in einen wichtigen Tag. Die Aktionen in den letzten beiden Wochen haben der ver.di-Verhandlungskommission für die bevorstehenden Verhandlungen den Rücken gestärkt.Und so machten wir uns von der Streikkundgebung auf zum Verhandlungshotel. 

Christoph Meister zählte zu Verhandlungsbeginn die Orte auf, in denen Versicherungsangestellte in den letzten Wochen gestreikt haben: Karlsruhe, Frankfurt, Stuttgart, Münster, Düsseldorf, Köln, Wiesbaden, Hannover, Heilbronn, München, Mannheim, Kiel, Hamburg. Die Streikteilnehmer/innen erwarten zum einen ein deutlich verbessertes Gehaltsangebot, zum anderen, dass sich die Sozialpartner in gemeinsamer Verantwortung der bevorstehenden Zäsur stellen. Die Verhandlungskommission ging selbstbewusst in die Verhandlungen.

Gespannt erwarteten wir die Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes zu unserem Entwurf eines Digitalisierungstarifvertrag.

„Diskussion Tarifregelung Digitalisierung“ – unter dieser Überschrift stand die Darstellung der Arbeitgeberseite, die der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes, Dr. Hopfner, vortrug. Herr Dr. Hopfner hat die von uns vorgeschlagenen Tarifregelungen nach folgenden Kriterien bewertet:
  • Kostenbelastung
  • bereits geltendes Recht (entweder Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung)
  • häufig Gegenstand von Betriebsvereinbarungen
  • Gefahr des Verbandsaustritts/Tarifflucht.

Zu keiner einzigen unserer vorgeschlagenen Tarifregelungen ließen sie konkrete Verhandlungsbereitschaft erkennen, vielmehr erklärte Herr Dr. Hopfner, dass Regelungen zu teuer seien,  oder aber dazu führen würden, dass Arbeitgeber aus dem Verband austreten. Außerdem seien die Personalbereiche, bedingt durch eine „Gesetzgebungswelle“, ohnehin extrem belastet. Da passe unser Tarifvertrag mit der Vielzahl von Ansprüchen nicht.

Stattdessen präsentierten sie uns ihre Vorstellungen zu einem Zukunftstarifvertrag Digitalisierung:

Arbeitszeitflexibilität
  • Mitbestimmung gem. § 76 BetrVG (Anmerkung: erzwingbare Samstagsarbeit)
  • Langzeitkonten
  • 7/24-Service

Entgeltflexibilität
  • Variable Vergütungsmodelle
Selbstverantwortung
  • Vertrauensarbeitszeit
  • Qualifizierungsbereitschaft
Change Management
  • Aufgabenwechsel
  • Mobilität
  • Verantwortliche Mitbestimmung
Dritter von links: Herr Dr. Andreas Eurich
Dr. Eurich:
Die Unternehmen bräuchten Flexibilität, die Mitarbeiter erwarteten Flexibilität. ver.di hingegen fordere starre Regelungen (Wir finden es immer wieder schön, wenn Arbeitgeber erklären, was die Beschäftigten – also wir – eigentlich wirklich wollen) 


ver.di-Erwiderung:
a)    grundsätzlich
  • Die Arbeitgeber haben wortreich dargestellt, was alles nicht geht.
  • Sie haben keinerlei Diskussionsbereitschaft erkennen lassen.
  • Wir betrachten dies als ziemliche Breitseite.
  • Sie zeichnen ein Bild, wonach die Beschäftigten unflexibel und wie eine Made im Speck im Versicherungstarifvertrag leben.
  • In der Öffentlichkeit wird dargestellt, dass die Digitalisierung dramatische Auswirkungen auf die Arbeitsplätze haben wird.
  • So wird nicht ein Arbeitsplatz in die Zukunft transferiert.
  • Der Wettbewerb in der Branche muss über Produkte und Serviceleistungen und nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.  
b)    Zu den Digitalisierungsthemen
Uns geht es um die Grundgedanken, die hinter unseren Formulierungsvorschlägen stehen:
  • Die Digitalisierung wird Produktivitätsschübe auslösen, die Auswirkungen auf das in der Branche erforderliche Arbeitszeitvolumen haben. Welche Ideen haben die Arbeitgeber dazu?
  • Viele Beschäftigte sind für ihre Aufgaben qualifiziert, jedoch nicht für die zukünftigen Anforderungen. Wir wollen für die neuen Aufgaben eine Brücke bauen. Welche Ideen haben die Arbeitgeber dazu?
  • Inhaltlich haben die Versicherungsarbeitgeber zu all unseren Regelungsentwürfen „Nein“ gesagt.
  • Wollen Sie mit uns reden, oder mit uns regeln?

Versicherungsarbeitgeber:
  • …beklagten sich über den Vorwurf mangelnder Wertschätzung in unseren Flugblättern. („Empörung; Unverschämtheit“)
  • Man habe schließlich weniger Arbeitsplätze abgebaut als die Banken.
  • Wenn der ver.di-Digitalisierungstarifvertrag vereinbart würde, dann lebten die Beschäf-tigten wie die Made im Speck.
  • Man benötige Flexibilität und wolle sich nicht in ein Korsett zwängen lassen.
  • Nicht alle Unternehmen könnten sich alles leisten. Man müsse sich am schwächsten orientieren.
  • Es gäbe auch Bereiche, in denen zukünftig Personal benötigt wird: IT, Produktentwick-lung, Regulierung. Deshalb dürfe man nicht nur schwarz malen.
  • Die Arbeitgeber haben keine Verweigerungshaltung, sondern einen anderen Betrach-tungswinkel.

Nach diesem Austausch hat sich die Tarifkommission die Frage gestellt, worüber wir eigentlich weiter verhandeln sollen. Die Arbeitgeber haben keine einzige Brücke zu unseren Forderungen gebaut, zu den von uns eingebrachten Themen Beschäftigungssicherung, Qualifizierung und mobiles Arbeiten haben sie keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie sie sich Regelungen vorstellen können. Wir haben dann in einem Sondierungsgespräch noch einmal ausgelotet, ob es wirklich keinen einzigen Ansatzpunkt für die Fortsetzung der Verhandlungen gibt. Auch dieser Austausch mit den Arbeitgebern hat keine Verhandlungsperspektive aufgezeigt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Arbeitgeber kein neues Angebot gemacht, damit war keinerlei Perspektive für einen angemessenen Gehaltsabschluss in Sicht. Wir gingen deshalb davon aus, dass die Verhandlungen ergebnislos beendet werden müssen. Umso überraschter waren wir, als die Versicherungsarbeitgeber dann doch noch ein zweites Angebot unterbreiteten:

  • 1,8% ab 01.11.2017
  • 1,5% ab 01.02.2019
  • Laufzeit 36 Monate

Dann haben die Arbeitgeber noch den Entwurf einer Verhandlungsverpflichtung vorgelesen. Ihr Vorschlag sieht vor, dass wir ab November (!) weiter über Digitalisierung verhandeln. Dabei soll es dann vor allem auch um die „Flexibilisierung“ des Tarifvertrages gehen. Bis 31.10. sollen die Tarifvertragsparteien ihre konkreten Vorstellungen schriftlich formulieren. Damit hätte man dann von Arbeitgeberseite unseren Tarifvertragsentwurf mal schnell vom Spielfeld genommen. Ver.di hat seine Vorstellungen bereits konkret formuliert und in die diesjährigen Tarifverhandlungen eingebracht!

Beratung der Tarifkommission
Die Tarifkommission betrachtete das materielle Angebot als unzureichend und den Vorschlag für eine Verhandlungsverpflichtung als Affront. Sie fasste einstimmig folgenden Beschluss:

Die Tarifkommission beschließt
  • das Scheitern der Verhandlungen und
  • die Arbeitskampfmaßnahmen fortzusetzen und zu intensivieren.
Die Tarifkommission berät über die Intensivierung
der Arbeitskammpfmaßnahmen
In der Abschlussrunde erklärten wir gegenüber den Arbeitgebern, dass das Gehaltsangebot gegenüber dem ersten Gehaltsangebot nur marginal verbessert sei und weiterhin unverändert Reallohnverluste für 3 Jahre programmiere. Die Verhandlungsverpflichtung wird dem Verhandlungsstand mit einem bereits vor der 2. Verhandlungsrunde übersandten, detaillierten ver.di-Tarifvertragsentwurf nicht gerecht und werde von der GTK als Affront bewertet. Wir erklärten das Scheitern der Verhandlungen und verabschiedeten uns.

Danach hat die große Tarifkommission sofort damit begonnen über die kommenden Aktionen zu beraten. Fazit: Die Arbeitskampfmaßnahmen werden intensiviert. Jetzt haben es die Beschäftigten in der Hand, aktiv werden für ein gutes Tarifergebnis.

Hamburg, 02.06.2017
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John Doey

John Doey

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